Emotionen - mehr als ein Gefühl

Emotionen - mehr als ein Gefühl

Emotionen und Gefühle sind nicht das Gleiche. Sie werden zwar oft von uns sinnverwandt benutzt, weil sie jeder hat und kennt, aber die wenigsten können sie erklären. Die Auswirkungen von Emotionen sind umfangreicher als die eines Gefühls. Warum das so ist und wie sie dein Leben beeinflussen, erfährst du jetzt.

Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl. 

Andreas Möller

Jeder kennt sie, kaum jemand kann sie erklären

Gehen wir von der Entwicklung der Menschheit aus, waren Gefühle und Emotionen von Anfang an dabei. (Pflanzen und Tiere lassen wir außen vor.)

Sobald sich zwei Individuen zusammentun, entsteht die Notwendigkeit, sich auszutauschen. Doch der Homo sapiens lernte erst recht spät das kreative Sprechen. Sei es, um sich gegenseitig vor dem viel zitierten Säbelzahntiger zu schützen oder um sich über die besten und sichersten Fundstellen von Beeren und Früchten auszutauschen. Die Individuen gaben wohl Laute von sich, formten aber keine Worte, so wie wir es heute tun. Um so wichtiger war hier der Ausdruck von Emotionen und Gefühlen über die Körpersprache, die unmittelbar und unbewusst geschieht.

Interessant ist hierbei, dass es bis ins Mittelalter keinen eigenen Namen für "Gefühl" gab. Gemütszustände wie Lust und Unlust oder Gemütsbewegungen wie Liebe, Hass, Freude und Furcht wurden sowohl mit dem griechischen pathos/lateinischen passio als auch mit den weitgehend synonymen Ausdrücken affectus und affectio bezeichnet.

Der griechische Philosoph Platon betrachtete Emotionen und Vernunft als gegensätzliche Bereiche des Geistes, die einen ständigen Kampf um die Vorherrschaft über die menschliche Psyche führen. Platon verglich die Leidenschaften mit wilden Pferden, die vom Verstand gezügelt werden müssten. Den Verstand begriff er als eine Art Wagenlenker, den jedoch Begierden und Ängste am Denken hinderten.¹

Der Begriff “Emotion”

Vom lateinischen mōtio, movēre, mōtum ---> bewegen, erregen, erschüttern fand das Wort Emotion erst um 1700  Eingang in unsere Sprache (entlehnt aus dem französischen Wort émotion für Aufregung, Gemütsbewegung).²    

Emotion steht also für eine psychische Erregung, Gemütsbewegung, Gefühl, Gefühlsregung.

Emotionen, jeder kennt sie, kaum jemand kann sie erklären

Sieben kulturübergreifende Grundemotionen 

Auch wenn es  in der Psychologie bisher keine eindeutige und allgemeingültige Definition von Emotionen gibt, identifizierte Paul Ekman, ein US-amerikanischer Anthropologe und Psychologe, folgende sieben Grundemotionen, die bei allen Menschen und über alle Kulturen hinweg auf der Welt auftreten:³

  • Angst 
  • Ekel
  • Freude
  • Trauer 
  • Überraschung
  • Verachtung
  • Wut 

Daneben gibt es weitere Emotionen:

  • Dankbarkeit
  • Eifersucht
  • Einsamkeit
  • Enttäuschung
  • Fröhlichkeit
  • Hass
  • Neid
  • Reue
  • Scham
  • Stolz
  • Vertrauen
  • Verzweiflung
  • Zufriedenheit
  • Zuneigung

Für die Wissenschaft sind Emotionen ein kniffliges Thema. Sind sie doch höchst subjektiv und vom Betroffenen oft nur schwer in Worte zu fassen. Selbst der Blick ins Gehirn brachte die Forschenden bisher nicht viel weiter.³

Seit es Wissenschaft gibt, will der Mensch die Dinge kategorisieren, nummerieren und in passende Schubladen packen, um besser eine Ordnung für sich zu schaffen. Aber die Natur und der Mensch sind zu komplex, um sich in ein Schema F pressen zu lassen. Und darum, wer hätte es geahnt?, haben US-Neurowissenschaftler aus Berkeley vor einigen Jahren mehr als die bisher sieben bekannten Grundemotionen identifiziert. Sie wurden nun auf 27 festgelegt: Angst, Ekel, Schrecken, Besorgnis, sexuelles Verlangen, Romantik, Nostalgie, Trauer, Wut, Schmerz, Überraschung, Erleichterung, Aufregung, Interesse, Langeweile, Verwirrung, Verzückung, Gelassenheit, Verlangen (nach Essen), ästhetische Wertschätzung, Bewunderung, Verehrung, Freude, Staunen, Belustigung, Zufriedenheit und Befangenheit.⁴

Gehirn_Entscheidungen

Blitzschnelles Bewertungssystem

Die Wissenschaft fand ebenfalls heraus, dass eine Emotion nicht nur aus einem Gefühl besteht, sondern auch aus der körperlichen Reaktion und den Denkprozessen, die mit den erlebten Gefühlen zusammenhängen.

Emotionen bilden daher ein mächtiges Bewertungssystem, das uns viele Situationen blitzschnell einschätzen und richtig reagieren lässt.

Neulich war ich mit meinen Geschäftspartnern auf der Kartbahn. Es war ein besonderes Erlebnis, bei dem wir für einen Moment den Alltag vergessen konnten. Allem Stress des Tages fuhren wir in den kleinen Rennwagen davon und ließen uns den Kopf vom Fahrtwind ordentlich freipusten. 

Warum ich das erwähne? Auch hier waren Emotionen im Spiel. Neben der Vorfreude auf das Rennen war da natürlich Aufregung. Der Mund wurde trocken, mir lief es heiß und kalt den Rücken herunter, Adrenalin schoss durch meinen Körper und gleichzeitig kroch eine leise Angst vor dem Scheitern hoch. Ich verspürte den Drang, mich zu bewegen. 

Als ich im Kart saß und auf das Startsignal wartete, den Lenker fest in den Händen, klopfte mein Herz bis unter die Schädeldecke. 

Dann, endlich Grün und go! 

Schlagartig war absolute Ruhe in mir, volle Konzentration und Fokus auf das Ziel, die neue Vorfreude auf den Sieg ließ mich das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken.  

Ist dir der Unterschied zwischen Gefühl und Emotion aufgefallen?

Gefühle wie Freude, Aufregung und Angst beschreiben nur einen Teil der Emotion: das subjektive Empfinden. Zur Emotion zählen Forscher auch noch physiologische Reaktionen, etwa Schwitzen, und ein verändertes Verhalten, die Veränderung der Mimik⁵. Aber die konnte ich unter meinem Helm gut verstecken 😅

Halten wir kurz fest:

Emotionen

  • steuern dein Verhalten 
  • variierend in der Ausprägung
  • sind in erster Linie im limbischen System verortbar
  • sind bewusst wahrnehmbar und beeinflussbar
  • äußern sich als Muskelaktivität ---> weglaufen 

Beispiel Angst: → Adrenalin → schnellerer Atem → beschleunigter Herzschlag →  Muskelanspannung → weglaufen

Emotionen bewirken:

  • das Kommunizieren
  • das Handeln

Durch Emotionen handelt der Mensch häufig, bevor er sich die Zeit genommen hat, eine Situation genau zu analysieren. Das kann sowohl gut als auch schlecht sein. Man sagt dann, er habe unüberlegt gehandelt, es war eine Kurzschlussreaktion. 

Emotionen sind jedoch unerlässlich, um überhaupt Entscheidungen zu treffen und auf unsere Umwelt in angemessener Weise zu reagieren. Vielleicht erinnerst du dich jetzt an dein letztes Verkaufsgespräch; egal, ob als Kunde oder Verkäufer.

Immerhin hattest du gehandelt. Jetzt könnte man meinen, dass jemand, der gründlich überlegt, besser handelt.

Trotzdem genießen Emotionen oft einen schlechten Ruf. Sie würden vernünftige Abwägungen durcheinander bringen, Entscheidungen irrational und Menschen unberechenbar machen, sagen nicht nur Vernunftmenschen.³

Sind-Emotionen-Gefühle

Sind Emotionen Gefühle?

Weil Emotionen und Gefühle im täglichen Sprachgebrauch oft synonym verwendet werden, gibt es trotzdem gewisse Unterschiede zwischen Emotionen und Gefühlen. Zum Beispiel ist eine Emotion weitreichender und umfassender als ein Gefühl, denn eine Emotion beschreibt einen Prozess, der aus drei wesentlichen Punkten besteht:

  • körperliche Reaktion (zum Beispiel lachen oder weinen)
  • Denkprozesse (vergleichen, interpretieren und entscheiden)
  • Gefühl (zum Beispiel zufrieden, dankbar, genervt, frustriert)

Gefühle von Angst, Wut, Schuld und Stolz sind die Triebfeder vieler unserer Handlungen, Entscheidungen und Wahrnehmungen.

Ein Beispiel für eine körperliche Reaktion bei dem Empfinden dieser Gefühle könnte so aussehen:⁶

  • du bist gelähmt vor Angst
  • errötest vor Scham
  • machst Luftsprünge vor Freude
  • hast einen schnelleren Herzschlag
  • bist blind vor Wut
  • kommst ins Schwitzen
  • beginnst zu schreien oder
  • zu weinen

Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt, aber nicht weiß. 

Fjodor Dostojewski
Emotionale-Ereignisse-bleiben-im-Gedächtnis

Emotionale Ereignisse graben sich tief ins Gedächtnis ein

Es heißt nicht umsonst, dass ein Mensch nur das nachempfinden kann, was er selbst erlebt hat. Wenn jemand noch nie einen Menschen oder ein geliebtes Haustier verloren hat, kann er den Schmerz nicht nachempfinden, den der andere durchlebt. 

Jedes Gefühl geht immer mit einer körperlichen Reaktion einher. Je intensiver die Gefühlsregung ist, desto deutlicher reagieren wir.

Und natürlich können wir an diesen körperlichen Reaktionen auch erkennen, wie es anderen Menschen geht. Wir können sie anhand ihrer Körpersprache verstehen – ganz ohne Worte.

Das Zusammenspiel zwischen unseren Gedanken, Emotionen und unserem Körper ist untrennbar miteinander verbunden.

Diese Verkörperung von Gefühlen erleben wir ständig. Oft werden sie uns aber nur dann wirklich bewusst, wenn sie stark ausgeprägt sind. Wenn wir uns beispielsweise so gruseln, dass uns die Haare zu Berge stehen, wenn wir vor lauter Aufregung weiche Knie haben oder die nächste Toilette aufsuchen müssen. Die Liebe meldet sich mit Herzklopfen und "Schmetterlingen im Bauch".⁷

Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.

Niccolò Machiavelli

Ich verstehe dich ohne Worte

Jede Erfahrung, die wir machen, alles, was wir lernen, wird im Gehirn mit dem entsprechenden Gefühl verknüpft, das wir in dieser Situation empfinden. Je intensiver dieses Gefühl ist, desto deutlicher bleibt es in unserem Gedächtnis verankert. Das Erlebte wird Teil unserer Lebenserfahrung. Je größer dieser Erfahrungsschatz ist, desto differenzierter wird auch unser emotionales Bewertungssystem.

Unsere Emotionen sind also ein Bewertungssystem, das mehr oder weniger gut ausgestattet sein kann. Es ist nicht von Anfang an komplett, sondern wird durch unsere täglichen Erfahrungen ständig erweitert und verfeinert. Nichts, was wir erleben, bleibt ohne Wirkung.⁷

Emotionen können direkt Einfluss auf den emotionalen Zustand von anderen Menschen nehmen, egal, ob du das möchtest oder nicht. Deine Gesichtsausdrücke, Bewegungen, deine Haltung und deine Handlungen sind direkt mit Emotionen verbunden.

Emotionen lassen sich nur schwer unterdrücken. Sie drücken sich blitzschnell in unserer Mimik und Gestik aus. Dennoch gibt es Menschen, denen sieht man kaum an, was sie denken. Doch die wenigsten Menschen können das wirklich kontrollieren.  

Denn die physiologische Komponente der Emotion wie Herzfrequenz, Blutdruck und Schwitzen werden vom vegetativen (=autonomen) Nervensystem und von Hormonen gesteuert.

Schließlich bahnt sich eine Emotion in Mimik, Gestik, Klang der Stimme und Verhaltenstendenzen praktisch unweigerlich einen Weg nach außen.³

Falls du es noch nicht getan hast, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, dich selbst in dieser Hinsicht zu beobachten.

Emotionen_Selbstreflexion

Emotionen sind überlebenswichtig

Emotionen sind also ein mächtiges System zur Bewertung von Situationen und zum Veranlassen von Handlungen. Damit wir überlebenswichtige Dinge tun und unsere Gene an die nächste Generation weitergeben.

So hat sich wahrscheinlich aus dem motorischen Reflex des Erbrechens der Gesichtsausdruck für Ekel entwickelt, um dem anderen die gleiche unangenehme, bedrohliche Erfahrung mit verdorbener Nahrung zu ersparen.

Hat man diesen körperlichen Vorgang selbst durchlebt, ist der Ekel für einen selbst nachvollziehbar und teilt sich über Körperreaktionen mehr oder minder deutlich mit.

Erfahrungen sammelt man wie Pilze: einzeln und mit dem Gefühl, dass die Sache nicht ganz geheuer ist!

Erskine Caldwell

Emotionale Entwicklung

Vom Kleinkind an durchlebst du deine emotionale Entwicklung. Schritt für Schritt hast du bis heute gelernt, dich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühlslage zu deuten. Das bedeutet, du verstehst und verarbeitest die eigenen Gefühle, lernst diese den anderen zu erklären und überwindest negative Emotionen. Deine Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. 

Emotionale Kompetenz

Mit deiner Entwicklung hast du bis heute eine gewisse emotionale Kompetenz erlangt. Sie kann dir helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Emotionale Kompetenz beruht im Wesentlichen auf vier Kernfähigkeiten:

  • Aufmerksamkeit für das eigene emotionale Befinden
  • Mitgefühl für Mitmenschen (Empathie-Fähigkeit)
  • die Fähigkeit, funktionierende zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen
  • konstruktiver Umgang mit belastenden oder sozialen Problemen und Gefühlen

Fazit

Emotionen bestimmen maßgeblich die Bewertungen von bestimmten Situationen. Je intensiver du ein Geschehen erlebst, desto stärker gräbt sich das entsprechende Gefühl in dein Gedächtnis ein. 

Du fühlst etwas, dein Denken wird dadurch angeregt und du handelst mehr oder weniger kurzentschlossen. Je nach Ergebnis untermauert es deine Überzeugungen in die eine oder andere Richtung. 

Erfahre hier, wie dich deine Überzeugungen (Beitrag folgt) dein Leben lang lenken. 

1) Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/emotionen/3405

2) Quelle: „Emotion“, in: Wolfgang Pfeifer et al., Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/etymwb/Haus>, abgerufen am 22.11.2022.

3) Quelle: https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/was-sind-emotionen, gesehen 22.11.2022

4) Quelle: https://kurier.at/wissen/emotionale-erfahrungen-sind-reicher-als-gedacht/287.560.061, gesehen 22.11.2022

5) Quelle: https://www.psychologie-heute.de/themen-a-z/emotionen.html, gesehen 22.11.20227

6) Quelle: https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/emotionen/, gesehen 22.11.2022

7) Quelle: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/emotionen_wegweiser_durchs_leben/index.html, gesehen 22.11.2022

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